Max Gruber’s Film über den Ausnahme-Architekten Karl Schwanzer läuft und läuft und läuft …
„Wenn man sich entschlossen hat, Architekt zu sein, muss man denMut aufbringen, Visionen erfüllen zu wollen.“
Karl Schwanzer
„Er flog voraus“ ist das unkonventionelle, vielstimmige Portrait einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Karl Schwanzer war Architekt von Weltgeltung, Visionär, Künstler, Legende, Lehrer und Poet. Er verstand Architektur als Instrument, die Menschen glücklich zu machen. Nicholas Ofczarek in der Rolle des Architekten zeigt Schwanzers meisterhaftes Spiel und auch, dass wahre, virtuose Leichtigkeit aus den geheimnisvollen Tiefen der Seele schöpft, in die sich niemand gefahrlos begibt.
„Er flog voraus“ ist ein Portrait des herausragenden österreichischen Architekten Karl Schwanzer mit Nicholas Ofczarek in der Rolle des Architekten. Wie der Untertitel „Ein Architektenpoem“ andeutet, handelt es sich um eine facettenreiche, unkonventionelle Annäherung an eine schillernde Persönlichkeit und leidenschaftliche Künstlerseele, die den Architekten im Besitz eines Instruments sah, die Menschen glücklich zu machen. Ein Instrument, das Karl Schwanzer meisterhaft beherrschte, als Kosmopolit, Visionär, Poet und weit über die Grenzen des Landes hinaus strahlendes Zentralgestirn seines Metiers.
Zugleich sehen wir einen ewig Suchenden, der sich mit der Lösung seiner Aufgaben bis zur Selbstaufgabe verstrickt
wusste. Karl Schwanzer war aber nicht nur der herausragende Architekt seiner Zeit, sondern auch als Hochschulprofessor eine Legende. Laurids Ortner, Heinz Neumann, Boris Podrecca und Wolf D. Prix, Andrea und Diether S. Hoppe waren seine Studenten und Mitarbeiter. Sie kommen neben vielen anderen Stimmen auch zu Wort.
Der Film berichtet auch von dem Coup, mit dem Karl Schwanzer den Auftrag für das Hauptquartier von BMW in München errang, das Bauwerk, das ihm weltweite Bekanntheit eintragen sollte. Um die Auftraggeber von seinem kühnen Entwurf zu überzeugen, ließ er eine ganze Etage des Bürogebäudes in den Bavaria Filmstudios nachbauen.
Der Film zeigt bislang unveröffentlichte Szenen dieses spektakulärsten Beweises für die sprudelnde, nicht zu bändigende Kreativität und Spielfreude Karl Schwanzers. Doch Virtuosität und Leichtigkeit schöpfen aus tiefster Seele. Der Film erzählt auch von der Einsamkeit des Pioniers, von der Unzugehörigkeit all jener, die den Mut aufbringen, Visionen erfüllen zu wollen und ihre Verantwortung für die seelische Verfassung einer Gesellschaft wirklich ernst nehmen. Als Portrait einer außergewöhnlichen Persönlichkeit verhandelt der Film grundsätzliche Fragen des Menschlichen – der ewigen Suche nach Liebe, Glück, Schönheit und Sinn und den Preis, den diese Suche fordert, wenn man sie so leidenschaftlich betreibt wie Karl Schwanzer.
Max Gruber
Es ist vielleicht kein Zufall, dass Max Gruber mit der Premiere seines Films über Karl Schwanzer in diesem Jahr bereits seinen zweiten Auftritt im Wiener Gartenbaukino absolviert. Im Mai hat er im Rahmen der „Wiener Vorlesungen“ einen Abend für seinen Mentor Wolfgang Bauer und H.C. Artmann gestaltet. Was Film und Vorlesung verbindet ist nicht allein die Auseinandersetzung mit Künstlerpersönlichkeiten, sondern reicht weit darüber hinaus. Es ist, so unerwartet das klingen mag, die Poesie. Denn Karl Schwanzer verstand Architektur als „materialisierte Poesie“, womit die Brücke zu Bauer und Artmann geschlagen wäre.
Und der Autor und Regisseur Max Gruber wurde für seine Texte von der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ in wie er meint, etwas überschwänglicher Weise einmal zum „neuen Hauspoeten der schwarzen Wiener Schule“ ernannt. In seinen filmischen Arbeiten bezeichnet sich Gruber gerne als „Filmdichter“, ein Wort, das Egon Friedell geprägt hat. Auch Grubers international ausgezeichneter erster Spielfilm „Das Tor zur Hölle“ begann und endete mit einem Gedicht von Edgar Allen Poe. Gruber meint, dass es an ihm eben nicht spurlos vorübergegangen ist, dass Ernst Jandl an seiner Schule unterrichtet hat …
Doch Grubers Weg ins künstlerische Fach führte über einen beachtlichen Umweg. Obwohl er bereits im zarten Alter von sieben Jahren erklärt hatte, Autor und Regisseur werden zu wollen, entsprach er zunächst der familiären Erwartung „etwas Ordentliches“ zu lernen. So wurde Gruber promovierter Jurist, schloss ein Studium Sozial- undWirtschaftswissenschaften in Wien, den USA und Frankreich ab und fügte noch einen MBA am INSEAD in Fontainebleau hinzu. In Folge lief er akut Gefahr, als Unternehmensberater und Investmentbanker in Amerika, Asien und Europa im falschen Beruf Karriere zu machen. Gruber entzog sich mit einem radikalen Kurswechsel. Er ging nach Los Angeles und absolvierte eine Regie-, Autoren- und Schauspielausbildung an der USC Film School. Zurück in Österreich beginnt Gruber im Dokumentar- und Werbefilm, wo er später unter anderem mit George Clooney und Arnold Schwarzenegger dreht. In seiner Autorentätigkeit wird er von Wolfgang Bauer und Gerhard Bronner gefördert und agiert als Texter und Frontman des Ensembles „Des Ano“, das mehrere CDs veröffentlichte und dessen Auftritte man, wie Mirjam Jessa meinte, auf eigene Gefahr besucht. Denn die Bilder brennen sich ein …
Die CD „film noir“ als Produktion von ORF Ö1 wurde vor kurzem neu aufgelegt.
Grubers Spielfilmdebüt, für das ihm vom Wochenmagazin profil eine „visionäre Sprengkraft“ attestiert wurde, „die an David Fincher erinnert“ markiert den Beginn einer Tätigkeit als Drehbuchautor zahlreicher TV-Filme, unter anderem für den „Tatort“.
Zuletzt lieferte er die Vorlage für die TV-Serie „Im Netz der Camorra“ mit Tobias Moretti. Seine Bühnenarbeiten umfassen aber nicht nur die Programme als Lyriker und Performer, sondern auch Theaterstücke, wo er im Gegensatz zum Film überwiegend Komödien abgeliefert hat, die von Publikum wie Kritik gefeiert wurden.
Grubers jüngste Arbeit, der Film über den herausragenden österreichischen Architekten Karl Schwanzer ist das Portrait einer faszinierenden Persönlichkeit, die über sich selbst sagte: „Meine Spezialisierung ist die Mehrgleisigkeit…“. Dieser Satz schwebt als Leitmotiv überWeg undWerk aller, die denWunsch hegen, sich nicht zu wiederholen und stets neue Herausforderungen suchen.Max Gruber zählt wohl dazu, und hält sich an dieWorte Kierkegaards, „dass der Reichtumeiner Individualität eben in ihrer Kraft in fragmentarischer Verschwendung besteht und dass dasjenige, was den Genuss des produzierenden Individuums ausmacht, das Erzeugen und Genießen der blitzenden Flüchtigkeit ist“. Gruber hofft auf die blitzende Flüchtigkeit eines filmischen Denkmals, das er dem Architekten Karl Schwanzer zu setzen versucht, dessen Werk allerdings Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte überdauert.
Regiestatement
Das Vollendete ist eine Arroganz …
Anmerkungen zu einem Film über Karl Schwanzer
Der Film „Er flog voraus. Karl Schwanzer. Architektenpoem“ geht auf die Initiative von Martin Schwanzer, dem jüngeren Sohn des Architekten zurück. Martin Schwanzer, selbst Architekt, hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Nachlass seines Vaters wissenschaftlich aufbereiten zu lassen und gemeinsam mit seinem Bruder Berthold dem Wien Museum zu überantworten. Das Haus wahrt das Erbe der bedeutendsten Architekten der Stadt – Otto Wagner, Josef Hoffmann und Adolf Loos. Es war unbestritten, dass es Karl Schwanzer gebührte, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, und im Mai 2018 kam es zur feierlichen Einbringung des Karl Schwanzer Archivs in den Bestand des Museums.
Dabei stellte sich die Frage nach der Gestaltung des Festakts. Diese Aufgabe fiel mir zu und eine Anregung wurde mir gleich mitgegeben. Nicholas Ofczarek wäre doch ein idealer Darsteller für Karl Schwanzer. Nicht nurwegen einer gewissen Ähnlichkeit im Äußeren, auch von Temperament, Ausstrahlung und seiner gesamten Persönlichkeit her… Dem konnte und wollte ich nicht widersprechen. Die Frage war nur, wie man einen vielbeschäftigten Schauspieler wie Nicholas Ofczarek, der sich seine Rollen aussuchen kann und sie mit großem Bedacht wählt, für dieses Projekt gewinnt.
Diese Aufgabe löste letztlich Karl Schwanzer selbst, mit seinen eigenen Worten. Festgehalten in dem von ihm mitverfassten und herausgegebenen Buch „Architektur aus Leidenschaft“. Das Buch ist nichts weniger als Karl Schwanzers architektonisches Credo und Vermächtnis, doch was er darin schreibt, geht weit über Betrachtungen zur Architektur hinaus. Es sind Gedanken eines großen Humanisten, eines wachen, weltgewandten und unvoreingenommenen Geistes, eines visionären, kühnen Denkers, der den Mut aufbrachte, ins Unbekannte aufzubrechen.
Schwanzers Betrachtungen faszinieren bis heute. Ich bin ihnen zum ersten Mal bei der Arbeit an der Graphic Novel „Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft“ begegnet, die ich mit Benjamin Swiczinsky, der die Illustration gestaltete, im Auftrag von Martin Schwanzer verfassen durfte. Eine Graphic Novel über einen Architekten war etwas Neues und die Bildhaftigkeit eines Comics eine Dimension, die sich für die Erzählung von Karl Schwanzers Leben förmlich aufdrängte. Umso erstaunlicher, dass die Graphic Novel über Karl Schwanzer die erste ihrer Art war. Es hat seinen Sohn Martin Schwanzer zurecht mit Stolz erfüllt, diese Idee als erster verwirklicht zu haben. Wenig später erschienen GraphicNovels über Mies van der Rohe und Corbusier, aber „Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft“ kam zuerst, eine Pionierleistung die einem visionären Charaktermehr als angemessen schien. Inhaltlich erzählte die Graphic Novel Karl Schwanzers Leben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, eben die Entstehung des Buchs „Architektur aus Leidenschaft“.
Ich schlug Nicholas Ofczarek vor, ihm aus Schwanzers Schriften und den Beiträgen wichtige Begleiter und Weggefährten einen Bühnentext zu gestalten, mit dem Titel „Er flog voraus“. Nichols Ofczarek genügte ein kurzer Blick in Karl Schwanzers Buch, um sich bereit zu erklären, den Abend zu bestreiten. Die Veranstaltung im Mai 2018 war nicht nur ein großer Erfolg, sie sollte sich auch als Auftakt eines Filmprojekts erweisen. Denn Martin Schwanzer war seit langem der Überzeugung, dass Leben und Werk seines Vaters in einem Film festgehalten werden sollten. Ich meinte, diesen Wunsch erfüllen zu können, indem wir den Bühnenauftritt Ofczareks mitfilmen und aus der Aufzeichnung einen Film gestalten, der später den audiovisuellen Bestand des Schwanzer Archivs des Wien Museums bereichern könnte. Mit dem Aufwand nur eines Drehtags würde ein ganzer Film hergestellt werden können.
So hielten wir es auch, der Abend wurde von meinen bewährten Kameraleuten Reinhard Mayr und Josef Philipp mitgeschnitten. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht zu denken gewagt, dass diese Aufzeichnung den Grundstein für einen Kinofilm legen würde. Doch dem einen Drehtag imMai folgten mehr als zwanzig weitere, verteilt über vier Jahre, mit einer eingeschworenen, wunderbaren Crew, die mit unendlich viel Herzblut und großem Verständnis für die äußerst beschränkten Möglichkeiten eines zunächst rein privat finanzierten Filmprojekts großartige Arbeit geleistet
hat.
Gedreht wurden Szenen mit Nicholas Ofczarek in der Rolle des Architekten an Originalschauplätzen wie dem Belvedere 21 und der Kapuzinergruft, Architekturaufnahmen wichtiger Bauwerke, wie des BMW Hauptgebäudes und der österreichischen Botschaft in Brasilia und Gespräche mit Persönlichkeiten, die Karl Schwanzer gekannt und erlebt haben oder mit seinem Leben undWerk in besondererWeise vertraut sind, wie Andrea und Diether S.Hoppe, Caroline Schwanzer, Ute Woltron, Heinz Neumann, Laurids Ortner, Boris Podrecca undWolf D. Prix.
Doch die neu gedrehten Szenen sind nur ein Teil des verwendeten Filmmaterials. Denn der Auftrag Martin Schwanzers hieß, der außergewöhnlichen, visionären Persönlichkeit seines Vaters einen unkonventionellen, ungewöhnlichen Film zu widmen. Ein Wunsch, dem ich nur allzu gerne entsprechen wollte. Die Biografie Karl Schwanzers haben Benjamin Scwiczinsky und ich schon in der Graphic Novel erzählt. Der Film sollte eine Annäherung an eine Künstlerseele sein, ein vielstimmiges, multiperspektivisches und mehrschichtiges filmisches Portrait. Die Aufzeichnung des Bühnenauftritts und die neu gedrehten Szenen repräsentierten bereits unterschiedliche Blickwinkel, die den Betrachter einmal direkt ansprechen, wenn Ofczarek als Karl Schwanzer in die Kamera spricht, dann wieder zum stillen Beobachter machen, sei es einer Bühnenperformance
oder eines Gesprächs.
Ergänzend hinzu kam historisches Material aus Wochenschauen und TV-Beiträgen und einzigartige private Aufnahmen aus dem Archiv der Familie. In Summe Dutzende Stunden an Filmmaterial, die von Editor Philipp Mayer und mir in hunderten Stunden zu einem Film montiert wurden. Mehrere von Benjamin Swiczinsky gestaltete Animationssequenzen zitieren die Graphic Novel und stellen die Verbindung zwischen dem Comic und dem Film her, von dem ich hoffe, dass er dem Wunsch Martin Schwanzers gerecht wird.
Aus heutiger Sicht betrachte ich es als Glücksfall, dass wir beim Dreh und im Scheideraum lange Zeit nicht ahnten, wohin uns die Reise führen würde. Hätten wir gewusst, dass unsere Arbeit in einen Kinofilm mündet, wir wären heute noch nicht fertig, weil wir unseren Aufwand als zu bescheiden für das hohe Ziel empfunden hätten. Doch es ist gelungen und die Freude darüber ist groß, wenn auch getrübt, denn Martin Schwanzer verstarb unerwartet vor zwei Jahren. Doch er hat wichtige Szenen noch gesehen und sah seinen Wunsch in Erfüllung gehen. Mit Hilfe seiner Tochter Caroline Schwanzer und
dank großzügiger Unterstützung von Sponsoren gelang es, den Film fertig zu stellen. Auch die Kulturabteilung der Stadt Wien und das Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten leisteten dazu einen
Beitrag, für den ich sehr dankbar bin.
Der Film „Er flog voraus“ wurde später mit demUntertitel „Karl Schwanzer. Architektenpoem“ versehen. Denn Karl Schwanzer verstand Architektur als materialisierte Poesie. Ein Gedicht Karl Schwanzers, von Nicholas Ofczarek in so atemberaubenderWeise vorgetragen, dass einem der Atem stockt, erwies sich als Leitmotiv des Films und als dessen innerste Seele. Das Gedicht mit dem Titel „Architektenpoem“ berührt universelle Fragen der menschlichen Existenz. Es ist das Sprachkunstwerk eines Mannes, der Architekten im Besitz eines Instruments wusste, die Menschen glücklich zu machen. Karl Schwanzer verstand dieses Instrument nicht nur meisterhaft zu spielen, sondern hat es auch als seine Verpflichtung betrachtet, der menschlichen Seele mit seinem SpielWohlbefinden, Freude und Schönheit zu bieten. Er gab sich dabei keinen
Illusionen hin, welchen Preis diese Suche nach dem Glück forderte: „Mit der Lösung eines Problems ist man verkettet bis zur Selbstaufgabe. Man vergisst zu essen zu schlafen, zu lieben…“
Das Vollendete betrachtete er als eine Arroganz.
Wohl eben deshalb ragt die Bedeutung seiner Bauwerke wie auch seiner Gedankengebäude weit über seine Zeit und dieses Land hinaus. Sie sind von universeller Gültigkeit. Diese wurde von Nicholas Ofczarek auf den Punkt gebracht, als er, während die Kamera eingerichtet wurde, seinen Text betrachtete und dazu bemerkte: „Der Mann war ein Visionär, wie der gedacht
hat, da kannst du bei allem, was du machst, jeden einzelnen Satz verwenden, zur eigenen Entlastung oder um dich selbst in die Pflicht zu nehmen.“
Solche Momente werden dem Filmemacher geschenkt, wenn man das Glück hat, Nicholas Ofczarek für die Rolle eines Universalgenies wie Karl Schwanzer zu gewinnen und über diesen einen Film gestalten zu dürfen.
Max Gruber